‚Angstträume der Ausgewanderten‘: Flucht- und Angstmotive in Gertrud Leuteneggers Roman Späte Gäste (2020)
Abstract
In Gertrud Leuteneggers bisher letztem Roman Späte Gäste (2020) dreht sich alles – wie in vielen ihrer früheren Bücher – um das Thema der Liebe und des Todes. Gleichzeitig aber gelangen in den Vordergrund diverse Motive der Flucht und der Rettung des Lebens bzw. des Beginns eines neuen Lebens und die damit verbundenen Ängste und Befürchtungen. Zum einen ist somit dieser autobiografisch geprägte Roman eine Auseinandersetzung mit dem Tod des geliebten Menschen, vor dessen Gewalttätigkeit jedoch die namenlose Ich-Erzählerin fliehen musste, zum anderen macht er aber auf das höchst aktuelle Problem der gegenwärtigen Flüchtlingswellen aufmerksam. Vor dem Hintergrund einer kurzen Charakteristik der einzigartigen Erzählweise der mit vielen literarischen Auszeichnungen gewürdigten Schweizer Schriftstellerin konzentriert sich der Beitrag eben auf die in diesem Werk dominierenden Motive der Flucht und der Angst und interpretiert den Roman einerseits als ein ‚Abschiedsbuch‘, andererseits aber auch als ein ‚Willkommensbuch‘, in dem aufgezeigt wird, wie notwendig es ist, den Geflüchteten – im Titel des Romans als „späte Gäste“ paraphrasiert – die Chance auf einen Neuanfang zu gewähren. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Orpheus-Mythos mit der Warnung, nicht zurückzuschauen, auf den der Roman vielfach rekurriert. Auch diese Warnung steht somit im Focus der Interpretation und wird ebenso auf die traumatischen Erfahrungen der Ich-Erzählerin wie auch auf die erschütternden Erlebnisse der in dem analysierten Werk vielfach dargestellten Figuren der Flüchtlinge beziehungsweise der Ausgewanderten bezogen.
Schlagworte:
Deutschschweizer Gegenwartsprosa, Getrud Leuteneggers Poetik, Tod, Flucht, Auswanderung, Angst, Orpheus-MythosLiteraturhinweise
Literaturhinweise
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Ewa GórskaPoland
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